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Die Tierversuchslabore für die neue medizinische Fakultät in Augsburg waren für 2030 geplant, doch nun sollen in einem "Interims"-Labor bereits ab 2023 Versuche an Ratten und Mäusen stattfinden. Erste Tierexperimentatoren wurden bereits berufen. 

Augsburg wird zur Tierversuchsstadt

In Augsburg wurden bisher keine Tierversuche gemacht, sondern klinische Forschung auf hohem Niveau betrieben. Die Stadt war so ein positives Vorbild. Nun wird ein neuer Medizin-Campus an der Universität Augsburg gebaut, auf dem auch eine „Versuchstier“haltung geplant ist. Die Inbetriebnahme ist für 2030 geplant. Allein für diese Tierhaltung stellt das Land Bayern ca. 35 Millionen Euro zur Verfügung. (1) Dazu werden zahlreiche Forschungseinrichtungen und Arbeitsmittel bereitgestellt und 101 neue Professuren geschaffen, die teilweise bereits mit Tierexperimentatoren besetzt wurden. Obwohl noch keine genauen Forschungsprojekte oder Forschungsgruppen bestimmt sind, werden laut des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst eine „Versuchstier“haltung auf einer Fläche von 1.640 qm und Tierversuchslabore auf 850 qm geplant. Die Anlage ist für 7.800 Käfige für durchschnittlich je drei Mäuse ausgelegt, was einer Haltungskapazität von etwa 23.400 Mäusen entspricht. Auch die Haltung von und Versuche an allen anderen Tierarten außer Primaten sind möglich. (1) Wie im November 2021 bekannt wurde, soll ein Teil der Flächen der Haltung von Ratten, Kaninchen Schweinen, Ziegen, Schafen und aquatischen Lebewesen, wie etwa Fischen, dienen. (2)

In einem „Interims-Labor“ im Sigma Park Augsburg sollen Tierversuche bereits ab Mitte 2023 durchgeführt werden. Die 250 qm großen Räumlichkeiten sind für Käfige für 2.500 Mäuse und 400 Ratten ausgelegt. (2)

Experimentatoren berufen

Der lange Zeitraum bis zur Inbetriebnahme der Augsburger Tierversuchslabore ließ hoffen, dass die Verantwortlichen der Universität noch rechtzeitig das Zukunftspotential tierversuchsfreier humanbasierter und -relevanter Hightech-Forschung begreifen und dass sie eine Vorbildrolle als die erste komplett tierversuchsfreie medizinische Fakultät Deutschlands einnehmen wollen. Nicht so in Augsburg! Weder wurde ein Lehrstuhl für tierversuchsfreie Forschung eingerichtet, noch wurde gezielt nach Bewerbern aus dem Bereich innovativer tierversuchsfreier biomedizinischer Forschung gesucht. (2).  

Die Inhaber der im Institut für theoretische Medizin integrierten vorklinischen Lehrstühle der Anatomie, Biochemie und Physiologie sind Professorinnen und Professoren mit tierexperimentellem Hintergrund, die bereits weitere Tierexperimentatoren an ihren Lehrstuhl geholt haben. Folgende Lehrstuhlinhaber mit tierexperimentellem Hintergrund wurden bereits berufen:

Marco Koch

Der Lehrstuhlinhaber für Anatomie und Zellbiologie, Marco Koch, war an der Universität Leipzig unter anderem an einer Studie mit genmanipulierten Mäusen zur Erforschung der Kachexie bei Tumoren und anderen Erkrankungen beteiligt. Gentechnisch veränderten Mäusen und Ratten wird eine Kanüle ins Gehirn implantiert, über die Wirkstoffe eingebracht werden, die Entzündungen auslösen und in der Folge zu Abmagerung, Aktivitätsverlust und Anstieg der Körpertemperatur führen. Die Erfassung der Daten erfolgt über einen Telemetrie-Sender, der zuvor in die Bauchhöhe der Tiere eingepflanzt wurde.

(3) Laut einer Publikation im März 2022 wirkte er bei einer in Südkorea durchgeführten Studie zur Steuerung des Appetits in einem bestimmten Hirnareal mit. Hierbei wird eine nicht genannte Anzahl unterschiedlich gentechnisch manipulierter Mäuse im Alter von 6 Wochen getötet, indem ihnen unter Betäubung das Konservierungsmittel Paraformaldehyd in die linke Herzkammer injiziert wird. Die Substanz durchströmt das Tier und tötet es. Aus ihrem Gehirn werden Gewebeproben zur weiteren Untersuchung geschnitten. (4)

Regina Fluhrer

Am Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie betreibt die Lehrstuhlinhaberin Regina Fluhrer in Kooperation mit Forschern anderer Universitäten u.a. Studien zur Steuerung immunologischer Prozesse beim Menschen. Sie verwendet hierfür Zellkulturen und Gewebe gentechnisch veränderter Mäuse, deren Zucht mit einem enorm hohen Tierverbrauch verbunden ist. Auch die Herstellung des in den Versuchen verwendeten fetalen Kälberserums ist mit immensem Tierleid verbunden. (5)

Rudolf Schubert

Der Lehrstuhlinhaber für Physiologie, Rudolf Schubert, hat vor seiner Berufung an der Medizinischen Fakultät Mannheim an Blutgefäßen von Ratten geforscht. In einer im Mai 2022 publizierten Studie untersucht er durch Stickstoffmonoxid ausgelöste Gefäßreaktionen bei Sauerstoffmangel und Übersäuerungszuständen in der nachgeburtlichen Phase des Menschen. Für die in Russland durchgeführten Experimente werden 10 bis 15 Tage alten Rattenwelpen arterielle Blutgefäße am Bein entnommen. Eine Tötung der Tiere wird nicht erwähnt, ist aber anzunehmen. (6)

Anja Meissner

Seit März 2022 gehört die Physiologin Anja Meissner dem Lehrstuhl des Instituts für Theoretische Medizin an. Ihr Schwerpunkt liegt in der tierexperimentellen Erforschung neuer Behandlungsmethoden von Bluthochdruck, Herzversagen und Schlaganfall. In besonders grausamen Tierversuchen wird Mäusen je nach Fragestellung experimentell eine Hirnblutung durch Injizieren von Blut in das Gehirn zugefügt. (7) Ein Herzinfarkt wird bei Mäusen durch dauerhaftes Abbinden einer Herzkranzarterie verursacht. Die dadurch verursachte Schädigung des Herzmuskels führt in den zuletzt in Schweden durchgeführten Experimenten zu Herzversagen und Lungenentzündung. (8)

Tierleid schon ab 2023

Ganz offensichtlich soll nun diesen Tierexperimentatoren eine wohl in den Rufverhandlungen zugesagte zeitnahe Fortsetzung ihrer Tierversuchsstudien ermöglicht werden. In einem Bürogebäude im Augsburger Sigma-Technopark werden derzeit Tierversuchslabore und Räumlichkeiten zur Haltung von 2.500 Mäusen und 400 Ratten eingerichtet. Bereits Anfang 2023 sollen sie in Betrieb genommen werden. (9)

Die Arbeitsgruppe Meissner sucht aktuell eine(n) wissenschaftliche Mitarbeiter(in) mit Bereitschaft zur Durchführung von Tierversuchen und praktischen Erfahrungen in diesem Bereich. Da in der Stellenausschreibung eine projektspezifische Mobilität zwischen Deutschland und Schweden erwartet wird, ist zu befürchten, dass im „Interims“Labor im Sigma-Park unter anderem die oben beschriebenen sinnlosen und grausamen Tierversuche eine Fortsetzung finden. 

12.09.2022
Dr. med. Rosmarie Lautenbacher

Quellen

  1. Antwort des Bayerischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 27.12.2019 auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Christian Hierneis (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  2. Antwort des Bayerischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 08.07.2020 auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Christian Hierneis (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
  3. Jin, Sungho et al.: Hypothalamic TLR2 triggers sickness behavior via a microglia-neuronal axis. Scientific Reports 2016; 6: 29424
  4. Na, Junewoo, et al.: Distinct firing activities of the hypothalamic arcuate nucleus neuronsto appetite hormons. International Journal of Molecular Sciences 2022; 23: 2609
  5. Mentrup, Torben et al.: Phagosomal signalling of the c-type lectin receptordectin-1 is terminated by intramembrane proteolysis. Nature communications 2022; 13: 1880
  6. Gaynullina, Dina K. et al.: The effects of acidosis on eNOS in the systematic vasculature: A focus on early postnatal ontogenesis. International Journal of Molecular Sciences 2022; 23: 5987
  7. Lidington, Darcy et al.: CFTR Therapeutics normalize cerebral perfusion deficits in mouse models of heart failure and subarachnoid hemorrhage. JACC: Basic to translational science 2019; 07: 004
  8. Uhl, Franziska E.  et al.: Therapeutic CFTR correction normalizes systemic and lung-specific S1P level alterations associated with heart failure. International Journal of Molecular Sciences 2022; 23: 866
  9. Eva Maria Knab: So laufen die Vorbereitungen für Tierversuche. Augsburger Allgemeine, 16.11.2021