Island droht ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Blutstuten
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- Dr. Corina Gericke
Schlag gegen das grausame Geschäft mit dem Blut schwangerer Stuten
In Island leiden rund 5.300 sogenannte Blutstuten für die Produktion des Hormons PMSG. Jetzt wurde der Inselstaat aufgefordert, die EU-Tierversuchsrichtlinie einzuhalten, denn die regelmäßigen Blutentnahmen gelten als Tierversuch und dürfen nicht ohne Projektbewertung durchgeführt werden. Der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche sieht dies als wichtigen Schlag gegen das grausame Geschäft.
Island ist ein Hauptproduzent für das Hormon Pregnant Mare Serum Gonadotropin (PMSG), auch Equines Choriongonadotropin (eCG) genannt, das zur Steigerung und Steuerung der Fruchtbarkeit bei „Nutz“tieren wie Schweinen, Schafen, Ziegen und Rindern eingesetzt wird. Dazu werden schwangeren Stuten bis zu zwei Monate lang pro Woche jeweils 5 Liter Blut abgezapft, aus dem das Hormon gewonnen wird. Verdeckt gemachte Recherchen der Animal Welfare Foundation brachten dabei erschreckende Zustände zutage. Auf rund 120 Farmen werden auf diese Weise rund 5.300 halbwilde Stuten ausgebeutet. Island will gar auf 20.000 Stuten aufstocken.
Island ist zwar nicht Mitglied der Europäischen Union, aber der Europäischen Freihandelszone EFTA und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), für den die Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz für zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Tieren (EU-Tierversuchsrichtlinie) eine Relevanz hat. Vor einem Jahr hatte sich unser Dachverband, die Eurogroup for Animals, an die EFTA-Überwachungsbehörde ESA gewandt. Gestern nun reagierte die Behörde, indem sie erst einmal bestätigte, dass es sich bei den Blutentnahmen um einen Tierversuch handelt und Island gegen die Tierversuchsrichtlinie verstößt. So wird bislang vor der Genehmigung keine Projektevaluierung gemäß der Richtlinie durchgeführt. Bei dieser muss geprüft werden, ob eine wissenschaftlich zufriedenstellende Methode ohne den Einsatz lebender Tiere verwendet werden kann. Ebenso muss der wahrscheinliche Schaden des Tieres gegen den erwarteten Nutzen des Projekts abgewogen werden.
„Tierversuchsfreie Methoden sind aber vorhanden, denn es gibt rund 30 synthetische Alternativen zu PMSG auf dem Markt“, kommentiert Dr. med. vet. Corina Gericke, Vizevorsitzende von Ärzte gegen Tierversuche. „Die grausame Praxis dürfte also überhaupt nicht genehmigt werden.“
Die Animal Welfare Foundation hat einen aktuellen Film veröffentlicht, aus dem deutlich wird, dass sich seit der ersten Recherche 2019 auf den isländischen Farmen nichts verändert hat, außer dass das Blutgeschäft jetzt noch versteckter abläuft. Die isländische Regierung hatte im August 2022 die Praxis mit einer neuen Verordnung vorläufig legalisiert, aber festgelegt, dass es nach drei Jahren eine Evaluierung geben soll.
„Die isländische Regierung hat sich einer einzigen Firma, nämlich Ísteka, die das Blut vermarktet, und einer Minderheit von Blutfarmern (119 von insgesamt 2340 Pferdezüchtern) gebeugt, und das obwohl eine deutliche Mehrheit von 66 % der Bevölkerung in Island gegen das Geschäft ist. Die Aufforderung der ESA dürfte die Verantwortlichen empfindlich treffen“, konstatiert Tierärztin Gericke.
Auch in Deutschland gibt es eine „Produktionsstätte“, nämlich in Meura in Thüringen, wo seit über 40 Jahren Haflingerpferde auf diese Weise ausgebeutet werden. All die Jahre schaute die zuständige Behörde weg, bis sie 2020 auf öffentlichen Druck eine Tierversuchsgenehmigung erteilte, die nach Auffassung des Ärztevereins rechtswidrig ist.
Das Aufforderungsschreiben der ESA an Island ist der erste Schritt in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen einen EWR-EFTA-Staat. Die isländische Regierung hat nun zwei Monate Zeit, sich zu äußern, bevor die ESA entscheidet, ob sie den Fall weiterverfolgt.
ESA: Iceland in breach of EEA rules on the protection of animals used for scientific purposes as regards the blood collection from pregnant mares. Pressemitteilung vom 10.05.2023
Tausendfaches Pferdeleid in Island: Schwangere Stuten werden in Boxen getrieben, ihr Kopf wird hochgebunden, um eine dicke Nadel in die Halsvene zu stechen und 5 Liter Blut abzuzapfen. © Animal Welfare Foundation