Endometriose: Tierversuche und tierversuchsfreie Forschung
Endometriose ist eine der häufigsten Unterleibserkrankungen bei Frauen. Bei Endometriose kommt es zu einer Ansiedlung von der Gebärmutterschleimhaut ähnelnden Gewebe außerhalb der Gebärmutter (Uterus). Die Erkrankung geht mit erheblichen Schmerzen und einer Verminderung der Lebensqualität einher und kann zu einer ungewollten Kinderlosigkeit führen. Bisher konnte die überwiegend tierexperimentell ausgerichtete Endometrioseforschung weder die Ursachen der Erkrankung aufklären noch eine Heilung ermöglichen und auch die Wirksamkeit der bestehenden Therapien ist begrenzt. Dieser Beitrag erklärt die Hintergründe für dieses Scheitern und zeigt wie Endometrioseforschung tierfrei gelingen kann.
Die Erkrankung
Bei Endometriose findet sich an Gebärmutterschleimhaut, das sogenannte Endometrium, erinnerndes Gewebe, außerhalb des Uterus im Bauchraum oder auch in weiter entfernten Organen. Die Erkrankung verursacht chronische Bauchschmerzen sowie schmerzhafte Regelblutungen und hat häufig einen unerfüllten Kinderwunsch zur Folge. Es kann auch zu blutgefüllten Zysten im Eierstock, den sogenannten Endometriomen kommen. Es wird geschätzt, dass 2 bis 20 % der Frauen – auch ohne entsprechende Symptome - die Erkrankung haben. Bei den Frauen, die unter einer schmerzhaften Menstruation leiden, sind sogar 40 bis 60 % betroffen und bei Frauen, die Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden, 20 bis 30 % (1).
Die Ursachen der Erkrankung sind noch nicht vollständig geklärt. Die Theorie der retrograden Menstruation geht davon aus, dass ein Teil des Menstruationsblutes nicht nach außen abfließt, sondern durch die Eileiter in die Bauchhöhle gelangt. Das Blut enthält auch Gebärmutterschleimhautzellen, welche sich in der Bauchhöhle ansiedeln und aus denen die Endometrioseherde entstehen. Es gibt jedoch auch seltene Fälle, in denen Organe wie die Lungen oder das Gehirn von Endometriose betroffen sind, was sich durch die Theorie der retrograden Menstruation nicht erklären lässt. Hier wird diskutiert, ob die Endometriose an Ort und Stelle entstehen kann, indem sich Zellen des entsprechenden Organs in Gebärmutterschleimhautzellen differenzieren. Diese Theorie könnte auch erklären, wie in seltenen Fällen auch Männer oder Mädchen vor dem Eintreten der Pubertät erkranken können (2). Aufgrund einer familiären Häufung der Endometriose wird auch eine genetische Ursache vermutet (3).
Die Grafik zeigt, wie sich Gebärmutterschleimhaut-ähnliches Gewebe außerhalb des Uterus ansiedelt.
Grafik: Adobestock_Yatakviju
Die Behandlungsmöglichkeiten
Für die Behandlung einer Endometriose stehen Schmerzmittel, Hormone und eine Operation zur Verfügung. Gelbkörperhormone (Gestagene) werden eingesetzt, um den Eisprung und die Menstruation zu unterdrücken. Dadurch können auch die im Körper versprengten Endometrioseherde ruhiggestellt werden. Eine Heilung tritt allerdings nicht ein und nach dem Absetzen der Hormone treten die Symptome erneut auf. Für Frauen, die ihre Familienplanung noch nicht abgeschlossen haben, kommt eine dauerhafte Therapie mit Hormonen nicht in Frage. Zudem weisen Hormone eine Reihe von Nebenwirkungen auf wie Gewichtszunahme, Wassereinlagerungen, Kopfschmerzen oder Stimmungsschwankungen. Auch eine Behandlung mit Medikamenten, die die körpereigene Produktion der weiblichen Geschlechtshormone hemmen, findet bei Endometriose Anwendung. Dadurch kommt es jedoch zu unangenehmen Wechseljahrs-Beschwerden.
Bei der operativen Entfernung von Endometrioseherden werden diese entweder chirurgisch entfernt oder mit Hitze verödet. Bei etwa 20 % der operierten Frauen treten innerhalb von 5 Jahren erneut Endometrioseherde auf (4). Häufig wird die Operation mit einer medikamentösen Therapie kombiniert, um die Bildung neuer Herde zu vermeiden. Eine Entfernung der Gebärmutter kann zur Besserung der Symptome führen, führt jedoch nicht notwendigerweise zur Heilung. Werden gleichzeitig die Eierstöcke entfernt, entzieht dies der Endometriose die Hormone. Dadurch treten aber auch die Wechseljahre mit entsprechenden Veränderungen des Körpers und des Befindens ein. Sollten die Beschwerden so stark sein, dass sie hormonell behandelt werden, kann auch die Endometriose erneut auftreten (4).
Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten
Es befindet sich derzeit zwar eine ganze Reihe von neuen Medikamenten in der Entwicklung, doch die meisten zielen wiederum auf die Hormone ab und die wenigen Medikamente mit anderem Wirkmechanismus sind noch nicht umfassend untersucht (5).
Die meisten Wirkstoffe scheitern dabei in der Phase II der klinischen Studien, also genau dann, wenn sie erstmals an Patienten getestet werden (6). Da die Sicherheit der Substanzen die Phase II erreichen bereits in Phase I an gesunden Teilnehmern untersucht wurde, legt dies den Verdacht nahe, dass das spätere Scheitern in Phase II in einem Mangel an Wirksamkeit begründet ist. Als Ursache dafür wird vermutet, dass die menschliche Erkrankung und die Natur und Entstehung des Endometriosegewebes zu wenig verstanden ist (6).
Zusammenfassend konnten in den letzten Jahrzehnten keine neuartigen Therapiekonzepte entwickelt wurden, was vor allem daran liegt, dass die Erkrankung bis heute nicht verstanden ist (5). Dies ist wiederum wesentlich auf die verwendeten tierexperimentellen Modelle zurückzuführen, welche keinen Einblick in die menschliche Erkrankung ermöglichen.
Die „Tiermodelle“
Da die Menstruation – zumindest nach der Theorie der retrograden Menstruation - eine Voraussetzung für die spontane Entwicklung einer Endometriose ist und die Erkrankung fast ausschließlich bei Frauen während ihrer fruchtbaren Lebensphase auftritt, kommt die Erkrankung natürlicherweise nur bei Menschen und einigen nicht-menschlichen Primaten vor. Nicht-menschliche Primaten wurden daher in großem Umfang zur Untersuchung von Endometriose eingesetzt (7).
Primaten in der Endometrioseforschung
Einige nicht-menschliche Primaten zeigen ähnlich wie der Mensch einen Menstruationszyklus. Diese Tierarten können spontan Endometriose entwickeln. Für 11 Affenspezies wurde von einem spontanen Auftreten von Endometriose berichtet, allerdings werden hauptsächlich Rhesusaffen und Paviane in der Erforschung der Erkrankung eingesetzt (1,7). Die Häufigkeit von natürlich vorkommender Endometriose beträgt bei Pavianen zwischen 12 und 17 % (8).
Da sich Endometriose langsam über einen Zeitraum von mehreren Jahren ausbildet, wurden Methoden entwickelt, um die Erkrankung künstlich hervorzurufen. So wird bei Primaten der Menstruationsfluss in den Bauchraum umgeleitet, indem der Gebärmutterhals verlegt oder verschlossen wird, um die Menge der retrograden Menstruation zu erhöhen. Darüber hinaus kann die chirurgische Induktion der Erkrankung durch das Vernähen von Fragmenten von Gebärmutterschleimhautgewebe an ektopischen (untypischen) Stellen oder durch das Besiedeln der Bauchhöhle mit Fragmenten von Endometriumgewebe erfolgen (7).
Die künstlich verursachte Endometriose bei Primaten unterscheidet sich jedoch fundamental von der spontan entwickelten Erkrankung. Auch die spontan entwickelte Erkrankung verläuft bei nicht-menschlichen Primaten anders als bei Menschen, so kommt es kaum zu schwereren Krankheitsverläufen mit einem Befall der Eierstöcke (1).
Neben ethischen Bedenken bei der Verwendung von Primaten sind es vor allem die hohen Kosten, die einen breiten Einsatz in der Endometrioseforschung verhindern. Aus diesem Grund wurden kleinere Versuchstiere, insbesondere Nagetieren, zur Entwicklung sogenannter Tiermodelle der Endometriose eingesetzt.
Nagetiere in der Endometrioseforschung
Bei Nagetieren kommt Endometriose nicht natürlich vor und muss daher künstlich hervorgerufen werden. Dazu wird Gebärmutterschleimhaut in die Bauchhöhle der Tiere implantiert. Je nachdem, ob dabei menschliches Gewebe oder solches aus der Maus verwendet wird, unterscheidet man zwischen heterologen und homologen Endometriose“modellen“.
Heterologe Xenograft-Modelle
Beim sogenannten heterologen Xenograft-Modell wird menschliches Endometriosegewebe Mäusen in die Bauchhöhle oder unter die Haut implantiert. Da das Immunsystem der Tiere das fremde Gewebe erkennen und attackieren würde, werden dazu immundefiziente Mäuse eingesetzt, bei denen meist durch Genmanipulation ein geschwächtes Immunsystem hervorgerufen wird. Den Tieren werden zudem die Eierstöcke entfernt und durch Gabe von Hormonen wird versucht, den 28 Tage dauernden menschlichen Zyklus nachzubilden.
Doch auch bei Mäusen mit defektem Immunsystem werden die menschlichen Bindegewebs-Zellen und Blutgefäße innerhalb von zwei Wochen durch Mäuse-Zellen ersetzt (5). Auch bei Verwendung von Tieren mit schwerer Immundefizienz, kann das menschliche Gewebe nur für einen kurzen Zeitraum erhalten bleiben, so dass keine längerfristigen Versuche möglich sind und die chronische Natur der Endometriose unberücksichtigt bleibt.
Sogenannte Nacktmäuse haben ein durch Genmanipulation verursachtes, geschwächtes Imunsystem.
Homologe Modelle
Um die Erforschung der Endometriose in immunkompetenten Mäusen, die also über ein funktionierendes Immunsystem verfügen, zu ermöglichen, wird die Gebärmutterschleimhaut aus der gleichen Tierart oder aus demselben Tier verwendet und an verschiedenen Positionen in der Maus implantiert. Dazu wird den Tieren die Gebärmutter entfernt und kleine Stückchen davon beim selben Tier wieder implantiert, vor allem in der Bauchhöhle oder unter der Haut. Solche Modelle wurden für Mäuse, Ratten sowie Hamster und Kaninchen etabliert (7). Bei Ratten bilden sich aus den implantierten Zellen flüssigkeitsgefüllte Zysten, was nicht der Situation beim Menschen entspricht. Und auch beim Kaninchen hervorgerufene Läsionen unterscheiden sich stark von denen beim Menschen (1). Zudem wurde für Mäuse gezeigt, dass die so nachgeahmte Endometriose im Gegensatz zum Menschen keinen Einfluss auf die Fruchtbarkeit hat.
Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen der Fortpflanzungsphysiologie von Nagetieren und dem Menschen, so dass Nagetier-„Modelle“ ganz erhebliche Einschränkungen aufweisen. Da Nagetiere nicht menstruieren, entwickeln sie keine spontane Endometriose, und die Krankheit muss künstlich durch die Transplantation von Gebärmuttergewebe ausgelöst werden. Darüber hinaus enthalten die transplantierten Gebärmutterfragmente in den meisten dieser Nagetierstudien neben der Gebärmutterschleimhaut auch Anteile der darunterliegenden Muskeln, was die Entwicklung der Läsionen beeinflussen kann. Somit bilden die bei Nagetieren induzierten Läsionen die des Menschen nur ungenügend nach. Zudem ist die Endometriose des Menschen eine chronische Erkrankung, die über lange Zeiträume besteht und dabei auch zu einer Vernarbung des Gewebes führt. Diese Veränderungen können dazu führen, dass Wirkstoffe die Endometrioseherde gar nicht erreichen können – ein Umstand der in Tierversuchen, bei denen lediglich künstlich erzeugte und oberflächliche Endometrioseherde untersucht werden – nicht abgebildet wird (6).
Hühnerembryonen in der Endometrioseforschung
Auch Hühnerembryonen werden in der Endometrioseforschung eingesetzt. Dazu werden die Eischalen geöffnet und die darunterliegende embryonale Membran freigelegt. Auf dieser Membran werden Fragmente von menschlichem Endometriumgewebe kultiviert (4). Weil sich die auf der Membran wachsenden Endometrioseherde einfach beobachten lassen, wird das Modell vor allem für die Untersuchung der Ausbreitung von Endometriose und der dabei auftretenden Neubildung von Blutgefäßen eingesetzt. Für die Untersuchung immunologischer oder entzündlicher Komponenten der Erkrankung oder für die Untersuchung von Wirkstoffen über einen längeren Zeitraum ist das Modell ungeeignet.
Auch wenn sich Hühnerembryonen wesentlich von den menschlichen Patientinnen unterscheiden, wird das Modell verwendet, unter anderem wegen dem mangelnden gesetzlichen Schutz von Vogelembryonen. So bedarf es für Versuche an Hühnerembryonen in Deutschland keiner Genehmigung, da die Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere nur für Embryonen von Säugetieren gilt, nicht jedoch für Vogelembryonen (9). So werden die Versuche an Hühnerembryonen von den Experimentatoren sogar als „Alternative“ zum Tierversuch dargestellt.
Auf dem Weg zum perfekten Modell?
Die mangelnde Vorhersagekraft der Tierversuche führt dazu, dass die Forschenden ihre Modelle immer wieder überarbeiten und „verfeinern“. Dies gestaltet sich schwierig, da es sich bei Endometriose um eine komplexe multifaktorielle und heterogene Erkrankung handelt, deren Ursachen nach wie vor noch nicht aufgeklärt sind. Auch ist die Überwachung sogenannter klinischer Endpunkte wie Schmerz oder Unfruchtbarkeit bei Verwendung von Tiermodellen schwierig und langwierig. Die Forschenden erkennen die Rolle der Genomik und Proteomik in der Erforschung der Endometriose an, statt sich dabei jedoch auf die Untersuchung des Menschen zu konzentrieren, erwarten sie, dass transgene Mäuse, in deren Erbgut menschliche Gene eingefügt wurden, eine bessere Untersuchung der Erkrankung ermöglichen werden (7).
Warum Tierexperimente versagen
Die tierexperimentell ausgerichtete Endometrioseforschung hat bis heute kein Heilmittel hervorgebracht und auch neue Behandlungsstrategien - jenseits des Eingreifens in den Hormonhaushalt - fehlen bis heute. Die Fehlerrate für die Entwicklung von Medikamenten im Bereich der Frauengesundheit beträgt über 95 %. Das heißt, dass über 95 % der Wirkstoffe, die im Tierversuch als wirksam und sicher getestet wurden, in den klinischen Phasen - und somit bei ihrer ersten Anwendung beim Menschen - wegen mangelnder Wirksamkeit oder Sicherheit scheitern (10). Ursächlich dafür ist vor allem die fehlende Translation, also die mangelnde Übertragbarkeit von im Tierversuch gewonnenen Erkenntnissen auf den Menschen. Dies beruht zum einen auf dem Unterschied zwischen Mensch und Tier und zum anderen auf der vereinfachten und fehlerhaften Nachbildung von Endometrioseherden in den sogenannten Tiermodellen.
Zudem ist es kaum möglich, die relevanten klinischen Endpunkte wie Schmerzen und verringerte Fruchtbarkeit im Tierversuch nachzuvollziehen. Während Forscher, die mit Nagetieren und anderen „Tiermodellen“ der Endometriose arbeiten, die Verringerung der Läsionsgröße und des Zellwachstums, oder bestimmte Protein- und Genexpressionsdaten als alternative Endpunkte in ihren Untersuchungen einsetzen, ergaben sich daraus bestenfalls spärliche Hinweise für mögliche Weiterentwicklungen der Therapie der menschlichen Endometriose (11).
Die Analyse der verfügbaren Publikationen zeigt, dass Tierversuche somit kaum belastbare Daten liefern, um Wirkstoffkandidaten für klinische Studien bereitzustellen. Daher zweifeln mittlerweile sogar die Forschenden selbst daran, ob diese Tierversuche eine geeignete Strategie für die Untersuchung der Pathophysiologie der Endometriose und für die Entwicklung neuer Therapien darstellen (11).
Somit sind dringend neue Ansätze notwendig, die die menschliche Erkrankung besser widerspiegeln und eine bessere Vorhersagekraft haben (5).
Forschung direkt am Menschen?
Wichtige Erkenntnisse über Endometriose beruhen schon heute auf Untersuchungen am Menschen. So wurden beispielsweise Proben von Endometriose-Patientinnen und Patientinnen ohne Endometriose genommen und die Genexpression der Gewebe miteinander verglichen. Dadurch konnten Gene identifiziert werden, die mit der Erkrankung in Verbindung stehen und so wichtige Erkenntnisse über die molekularen Grundlagen der Erkrankung gewonnen werden (12).
Auch klinische Studien, Beobachtungs- und Assoziationsstudien generieren relevante Ergebnisse.
Um den an den klinischen Studien beteiligten Personen eine möglichst hohe Sicherheit zu bieten – und sich dabei nicht auf eine so unzuverlässige Methode wie den Tierversuch zu verlassen – sollte die Entwicklung und Testung neuer Wirkstoffe an Systemen erfolgen, die vom Menschen abgeleitet sind und somit direkt human-relevante Ergebnisse liefern.
Tierversuchsfreie Forschungsmethoden
Die Untersuchung von Endometriose und entsprechenden Wirkstoffen kann direkt mit menschlichen Zellen erfolgen, was in verschiedenen Kultivierungssystemen möglich ist.
Zellkulturen
Die Analyse von Zellen aus Endometrioseherden und von daraus gewonnenen Zelllinien ermöglicht Einblicke in die Erkrankung und die Untersuchung des Beitrags verschiedener Zelltypen. Insbesondere der Vergleich von Endometriose-Zellen mit denen gesunder Patientinnen gibt Einblick in die Biologie der Erkrankung. Ein Problem ist dabei jedoch, dass primäre Endometriose-Zellen in Zellkultur rasch dedifferenzieren, sich also verändern und die Krankheit dann nicht mehr repräsentieren. Dies kann beispielsweise durch Einbettung der Zellen in eine Fibrin-Matrix verhindert werden (13). Die Verwendung der genetischen Schere CRISPR-Cas ermöglicht es, gezielt Veränderungen im Erbgut der Zellen zu erzeugen und schafft so eine Möglichkeit, die Rolle bestimmter Gene oder Mutationen bei Endometriose gezielt zu untersuchen (12).
Organoide
Organoide sind kleine 3D-Strukturen, die sich in vitro aus gesundem oder erkranktem Gewebe entwickeln lassen und dabei biologische und pathologische Merkmale des ursprünglichen Organs bzw. der Erkrankung beibehalten. Endometriose-Organoide stellen somit vielversprechende Modelle zur Untersuchung der molekularen Mechanismen bei Endometriose dar. Werden Endometrium-Organoide aus Proben von gesunden Frauen und Frauen mit Endometriose miteinander verglichen zeigt sich ein unterschiedliches Expressionsmuster von Genen, welches Hinweise auf die molekularen Grundlagen der Erkrankung gibt (14). Werden die Organoide mit Progesteron behandelt zeigt sich eine Fehlregulierung der Genexpression bei Endometriose-Organoiden, die auch erklärt, warum sich bei den entsprechenden Frauen befruchtete Eizellen nicht in die Gebärmutterschleimhaut einnisten können (14).
Endometrium-Zellen zur Züchtung von Organoiden können sogar aus dem Menstruationsblut gewonnen werden (15). Dies stellt eine nicht-invasive Möglichkeit zur Gewinnung Patienten-spezifischer Organoide dar. Zudem lassen sich die Organoide über längere Zeit kultivieren, vermehren und lagern und stehen dadurch nahezu unbegrenzt zur Verfügung. Organoide lassen sich auch in Hydrogele einbetten. Bei Verwendung geeigneter Hydrogele bilden sich dabei durch Gefäßzellen miteinander verbundene Organoid-Netzwerke (13).
Organ-on-a-Chip
Organ-auf-dem-Chip-Systeme basieren auf einem sogenannten mikrofluidischen Chip, auf dem kleine Kultivierungskammern durch feine Kanäle miteinander verbunden sind. In jeder der Kammern können verschiedene Zellen oder Gewebe kultiviert werden und durch die Kanäle zirkulierende Nährflüssigkeit ahmt den Blutstrom nach und transportiert Nährstoffe und Hormone, aber auch zu testende Wirkstoffe zu den Zellen. Die Mikrofluidik-Technologie bietet eine kontrollierte Umgebung, in welcher bspw. Endometriose-Organoide unter standardisierbaren Bedingungen kultiviert werden können. Darüber hinaus ermöglicht diese Technologie eine präzise Steuerung der Zell-Zell- und Zell-Matrix-Interaktionen sowie die Reproduktion der biochemischen und mechanischen Signale und Stimuli. Die Verwendung von mikrofluidischen Systemen ermöglicht auch die Integration von Immunzellen und weiteren Organen wie Leber oder Darm (13), so dass auch systemische Aspekte der Endometriose erfasst werden können.
Die Co-Kultivierung von Endometriose-Organoiden mit aus Läsionen stammenden Stromazellen sowie Immunzellen und Zellen des Binde- und Muskelgewebes in synthetischen extrazellulären Matrizes auf mikrofluidischen Plattformen kann die Nachbildung von mit Blutgefäßen durchzogenen Läsionen und ihrer Umgebung ermöglichen.
Weiblicher Genitaltrakt on-a-Chip. Foto: Northwestern University
3D gedruckte Modelle
Endometrioseherde wachsen in einer komplexen Umgebung, die aus verschiedenen Zellen und der sogenannten extrazellulären Matrix aufgebaut ist. Diese Umgebung kann mittels 3D-Druck nachgeformt werden. Der 3D-Biodruck verwendet dabei biokompatible „Tinten“, beispielsweise aus Hydrogelen, in die Zellen eingeschlossen werden. So lassen sich verschiedene Zelltypen wie Endometriose-, Muskel- und Immunzellen ebenso wie Gefäße, die den Endometrioseherd mit Nährstoffen versorgen, in einer definierten dreidimensionalen Anordnung drucken.
Die verschiedenen tierversuchsfreien Techniken können auch miteinander kombiniert werden, indem beispielsweise Organoide mittels 3D Druck in größeren Konstrukten gedruckt werden oder in mikrofluidischen Systemen eingesetzt werden. Dadurch lassen sich die In-vitro-Systeme beliebig zusammensetzen und erweitern, wodurch verschiedenste Organe und Funktionen nachahmen lassen. So ist es möglich, den Eisprung, den Menstruationszyklus und die Einnistung eines Embryos in die Gebärmutterschleimhaut in vitro abzubilden und zu untersuchen (16). Solche komplexen Systeme, die nur aus menschlichen Zellen bestehen, werden in der Endometrioseforschung neue Erkenntnisse liefern und eine für den Menschen relevante Testung neuer Wirkstoffe ermöglichen.
Den Ursachen auf den Grund gehen
Die Ursachen für Endometriose sind nach wie vor nicht geklärt. Die für die Entwicklung von Therapien dringend notwendige Aufklärung der Ursachen und zugrundeliegenden Mechanismen kann sicherlich nicht mit Tierversuchen erfolgen, bei denen lediglich einzelne Aspekte der Erkrankung nachgeahmt werden. Hier sind Bevölkerungs- und Patientenstudien verbunden mit Genom- und Proteomuntersuchungen sowie human-basierte Zell- und Gewebemodelle besser in der Lage, die Ursachen und Mechanismen der Endometriose zu untersuchen.
Vorbeugung
Eine wesentliche Rolle für die Entwicklung einer Endometriose spielt die Häufigkeit der Menstruation. So führt eine Schwangerschaft zu einem Ausbleiben der Menstruation, und stellt einen vor Endometriose schützenden Faktor dar. Die durchschnittliche Anzahl von Schwangerschaften hat sich in Westeuropa in den letzten 100 Jahren von ca. 10 auf 1,5 verringert, was zu einer Verdopplung der Menstruationshäufigkeit im Leben einer Frau führt und somit auch das Risiko an Endometriose zu erkranken erhöht (17). Um dieses Ausbleiben der Menstruation künstlich herbeizuführen, ist auch eine Langzeiteinnahme von oralen Kontrazeptiva möglich. Dadurch kann das Wiederauftreten der Endometriose nach einer Operation reduziert werden. Während eine solche hormonelle Behandlung also für Endometriose-Patientinnen unter bestimmten Umständen sinnvoll sein kann, scheint es aber fraglich, ob sie zur Prävention der Erkrankung beitragen kann (17). Angesichts der Belastungen und Nebenwirkungen durch eine langfristige Einnahme von Hormonpräparaten kann diese Behandlung nicht als Präventionsmaßnahme empfohlen werden.
Allerdings können Frauen über ihre Ernährung Einfluss auf ihr persönliches Endometrioserisiko nehmen. Insbesondere gibt es einen Zusammenhang zwischen einer entzündungsfördernden Ernährung und Endometriose (18). So erhöht sich das Risiko an Endometriose zu erkranken mit dem Konsum von Alkohol, ungesättigten Fettsäuren, die sich vor allem in Milchprodukten, Fleisch und hochverarbeiteten Nahrungsmitteln finden, sowie mit dem Verzehr von rotem Fleisch. Dagegen verringert der Konsum von Früchten und insbesondere von Zitrusfrüchten, das Risiko an Endometriose zu erkranken um bis zu 22 % (19). Auch lassen sich die Symptome von Frauen mit Endometriose durch eine Anpassung der Ernährung – insbesondere durch reichlich Gemüse und Obst sowie dem Verzicht auf zuckerhaltige Getränke und tierische Fette vermindern (20).
Fazit
Die überwiegend tierexperimentell ausgerichtete Endometrioseforschung hat bis heute kein Heilmittel für die Erkrankung gefunden und die bestehenden Therapiemöglichkeiten sind unbefriedigend. Dies liegt vor allem an der mangelnden Vorhersagekraft der sogenannten Tiermodelle, bei denen Endometriose-ähnliche Zustände künstlich hervorgerufen werden, die jedoch die komplexe menschliche Erkrankung nicht widerspiegeln. Dies wiegt umso schwerer, als dass noch nicht einmal die Ursachen der Endometriose aufgeklärt wurden, wodurch die Entwicklung einer ursächlichen Behandlung ebenso wie eine zielgerichtete Prävention bis heute nicht möglich sind. Hier kann ausschließlich eine Untersuchung der Erkrankung am Menschen selbst sowie die konsequente Verwendung von human-relevanten und tierversuchsfreien Modellsystemen Abhilfe schaffen.
22.11.2023
Dr. Johanna Walter
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