Schlechte Transparenz bei Nicht-technischen Zusammenfassungen von Tierversuchen
Die EU-Tierversuchsrichtlinie 2010/63/EU schreibt zur europaweiten Vereinheitlichung vor, dass sogenannte Nicht-technische Zusammenfassungen (NTS für Non-Technical Summaries) von Tierexperimenten vor. Ziel war eine erhöhte Transparenz; enthalten sein soll das voraussichtliche Leid der Tiere sowie der zu erwartende Nutzen als auch die Anzahl und die Art der verwendeten Tiere. Einhaltung der 3R sollte ebenfalls demonstriert werden, im besten Falle eine best practice geteilt und mithilfe der öffentlichen Zugänglichkeit der Dokumente Doppeltestungen vermieden werden. Diese Publikation untersucht, wie schnell die NTS veröffentlicht werden, wie gut sie identifizierbar und zugänglich sind sowie die inhaltliche Qualität. Dabei stellt sich heraus, dass es große Unterschiede zwischen den Ländern gibt. Deutschland und England werden spezifisch verglichen. Am Ende geben die Autoren Empfehlungen, wie die NTS umgestaltet werden könnten.
Historisch gesehen schneidet Frankreich sehr schlecht ab, was die Transparenz zu Tierversuchen angeht, Länder wie Dänemark, Schweden und Norwegen dagegen veröffentlichen die kompletten Projektanträge oder stellen diese auf Anfrage zur Verfügung. Für Griechenland, Portugal, Malta und Zypern konnten zum Untersuchungszeitpunkt (2018) überhaupt keine NTS gefunden werden, für die restlichen EU-Staaten liegen NTS vor. Malta und Zypern führten allerdings, soweit bekannt, keine Tierexperimente durch.
Die Geschwindigkeit, mit der die NTS auf den jeweiligen Portalen hochgeladen werden, ist nicht immer ermittelbar, da einige Länder nicht beide Daten (Datum der Genehmigung des Antrags und das des Hochladens der NTS) angeben. Während Länder wie Polen, Niederlande, Dänemark und Tschechien maximal 3 Monate benötigen, liegen in Belgien, Kroatien, Estland, Ungarn, Italien, Schweden und den Vereinten Königreich mindestens 18 Monate zwischen der Projektgenehmigung und der Veröffentlichung der korrespondierenden NTS.
Bis auf Österreich und Frankreich werden die Projekte mittels des Titels zusammengefasst. Teilweise gibt es spezielle Identifikationsnummern oder Nummern, die mit der Reihenfolge des jeweiligen Jahres zusammenhängen. Eine bessere Identifizierung der Projekte ermöglicht in Kroatien, Tschechien, Dänemark, Litauen, Niederlande und Polen die Angabe des tatsächlichen Projektdatums.
Die meisten Dokumente sind im PDF-Format. Dänemark aber stellt die NTS als einzelne Websites zur Verfügung. Lediglich Dänemark, Finnland, Deutschland und die Niederlande haben eine Suchfunktion (Spanien eingeschränkt).
Bezüglich der inhaltlichen Qualität wird durch die Bank weg die Unvollständigkeit und der Ton kritisiert. Zudem gibt es eine Tendenz zur Übertreibung des vermeintlichen Nutzens, eine Untertreibung bezüglich der erwarteten Leiden der Versuchstiere sowie nur vage Angaben zur Einhaltung der 3R.
Speziell der Bereich, in dem es um die zu erwartenden Schäden und Leiden der Tiere geht, ist mangelhaft. 15 % der deutschen (D-NTS) und 35 % der britischen NTS (GB-NTS) geben überhaupt keinen Schweregrad an, obwohl dieser verbindlich ist. Bei 30 % der D-NTS wird dies auch nur sehr vage beschrieben. 28 % der D-NTS beinhalten überhaupt keine Informationen zum Schicksal der Tiere nach Beendigung des Experiments. (Anmerkung: beim Großteil der Experimente endet dies mit der Tötung der Versuchstiere) Selbst bei den NTS, bei denen das Schicksal („Tod“) angegeben war, wurde wenig bis keine Information (außer „human“) über die Tötungsmethode gegeben. In der aktuellen Analyse von 2024 zeigte sich, dass es in diesem Bereich positive Veränderungen gegeben hat und die Angaben akkurater wurden. Auffällig ist, dass bestimmte Prozeduren, die in den GB-NTS und auch laut EU-Richtlinie als „mittel“ einzuschätzen sind, bei den D-NTS lediglich als „leicht“ bewertet wurden.
Lediglich 31 % der NTS beider Länder geben eine klare Beschreibung der angewendeten Versuche, denen die Tiere unterzogen werden. Ein Drittel der D-NTS geben keine Information an. Art einer Operation oder Art der Verabreichung einer Substanz werden selten beschrieben; Frequenz und Länge der Prozeduren werden oft nicht erwähnt.
Bei Nebenwirkungen und Schäden, die die Tiere im Laufe der Experimente voraussichtlich zeigen, werden in nur 39 % der Fälle diese vollständig, in 27 % nur teilweise beschrieben (GB: 41 % / 35 %). Die aktuelle Analyse aus 2024 stellt fest, dass sich in diesem Bereich nichts verbessert hat: nur 41 % der D-NTS (GB: 48 %) beschreiben vollständig die zu erwartenden Schäden.
Der zu erwartende Nutzen wird oft übertrieben dargestellt. Zudem ist dies der Teil des Dokuments, welcher oft den umfangreichsten Text vorweist; trotz dessen wird oft nicht klar, wie hoch die Wahrscheinlichkeit, dass das Projekt Erfolg hat, eingeschätzt wird. Auch wird der Nutzen in Bezug auf die Schwere der menschlichen Erkrankung hervorgehoben, aber nicht dargelegt, wie dieser projektspezifisch aussehen könnte.
Die Bezüge zu den 3R werden oft zu allgemein dargestellt, ohne dass tatsächliche, wissenschaftliche Begründungen auf den jeweiligen Versuch bezogen angeführt werden. Allgemeine Begründungen sind z.B., dass Humanstudien nicht ethisch vertretbar sind. Es wird angegeben, dass die Anzahl die geringstmögliche wäre, ohne dafür Belege anzuführen. Im Bereich Verfeinerungen gibt es manchmal wortreiche Statements, die aber lediglich die gängigen Standardpraktiken und gesetzliche Minima darstellen. Es werden aber auch positive Beispiele genannt. Im Vergleich von D und GB, schneidet Deutschland besonders schlecht ab in der Qualität der 3R-Angaben. In 10 % der Fälle wurde bei den D-NTS der Text des Beispiels für Reduktion aus dem BfR-Leitfaden von 2013 lediglich kopiert und eingefügt.
Als Fazit wird die Transparenz als nicht genügend bewertet und Anregungen gegeben, die NTS zu verändern. Das wären u.a.: Veröffentlichung der NTS innerhalb von 3 Monaten nach Projektgenehmigung, Zugänglichkeit der NTS für länger als 5 Jahre, eindeutige Identifikation der Projekte, verpflichtende Beschreibung der Versuche, Schaffung eines eigenen Feldes für jeden Schweregrad und das Schicksal der Tiere, und die Aufsplittung der 3R in ihre einzelnen Punkte (Ersatz, Reduktion, Verfeinerung jeweils separat). Die EU-Kommission wäre angehalten, das NTS-Dokument so zu verbessern und unterstützende Informationen bereit zu stellen. Eine andere Methode wäre, die kompletten Genehmigungsanträge zu veröffentlichen, womit der Mehraufwand eines weiteren Dokuments komplett entfallen würde, wie es bereits in Dänemark, Norwegen und Schweden üblich ist.
Im nächsten Schritt könnten die tatsächlichen Informationen in den NTS untersucht werden und nicht nur die Berichtsqualität. Es wäre nützlich, mehrere Mitgliedstaaten zu überprüfen, um auffällige Muster im Tiergebrauch, in der Anwendung von Verfeinerungen und in der Schwereberichterstattung zu identifizieren, sowie zu prüfen, ob es Konsistenz bei den genehmigten Experimentarten gibt und Möglichkeiten zur Harmonisierung bestehen, um den Tierschutz in Europa zu verbessern.
Zusammenfassung
23.05.2024
Dipl.-Biol. Julia Radzwill