Nach 10 Jahren keine Umsetzung in der Humanmedizin nachweisbar
12. November 2008
Zusammenfassung
„Tierexperimentell tätige Wissenschaftler müssen nach den gesetzlichen Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland in ihren Anträgen auf Genehmigung eines Tierversuchsvorhabens begründen, inwieweit diese Tierversuche ethisch und wissenschaftlich gerechtfertigt sind. Als Begründung wird meist auf das fehlende Verständnis der Zusammenhänge bei der Entstehung von Krankheiten bzw. mit dem Fehlen entsprechender Therapien am Menschen hingewiesen.
Die Basis für die vorliegende Studie waren die bei den Genehmigungsbehörden eingereichten Forschungsanträge biomedizinischer Arbeitsgruppen aus drei Universitäten in Bayern. Einbezogen wurden 16 Anträge, die von 1991 bis 1993 in einer Tierversuchskommission nach § 15 des Tierschutzgesetzes eingereicht, bewilligt und in einer vorausgegangenen Studie (Toni Lindl et al., 2001) als erfolgreich eingestuft wurden.
Untersucht wurden die Zitierhäufigkeit, der Zitierverlauf und die Frage, in welche Forschungen die Primärzitate eingegangen sind: ob in weiteren tierexperimentellen Studien, in in vitro-Studien, in klinischen Studien oder in Übersichtsartikeln (sog. Reviews). Von ausschließlichem Interesse war, ob die Wissenschaftler das in den Anträgen postulierte Versuchsziel, eine neue Therapie oder überhaupt klinisch Relevantes zu entwickeln, erreichen konnten.
Das Ergebnis war enttäuschend: Es konnten zwar 97 klinisch orientierte Veröffentlichungen ermittelt werden, welche die oben erwähnten Publikationen zitierten (8% aller Zitierungen), aber nur bei 4 Studien (0,3%) wurde ein direkter Zusammenhang zwischen den tierexperimentellen Befunden der Antragsteller und den gefundenen Ergebnissen am Menschen hergestellt. Doch selbst hier konnte die im Tierversuch bestätigte Hypothese klinisch nicht in eine neue Therapie am Menschen umgesetzt werden. Entweder war kein therapeutischer Effekt nachweisbar, oder die Befunde am Menschen widersprachen sogar den Ergebnissen am Tier.
Als Konsequenz dieser Studie wird gefordert, die gesetzlichen Begründungen für einen Tierversuch durch die Behörde strenger zu prüfen und projektspezifische Argumente zu fordern, anstatt pauschale Begründungen zu dulden. Ferner müssen die Kompetenzen der prüfenden Behörden und der beratenden Kommissionen nach § 15 des TSchG dringend erweitert werden.“
Quelle
Titel: Tierversuche in der biomedizinischen Forschung - Eine Bestandsaufnahme der klinischen Relevanz von genehmigten Tierversuchsvorhaben: Nach 10 Jahren keine Umsetzung in der Humanmedizin nachweisbar.
Autoren: Toni Lindl (1), Manfred Völkel (2) und Roman Kolar (3)
Institute: (1) Institut für angewandte Zellkultur, München, (2) Tierversuchskommission Nordbayern, Regierung von Unterfranken, Würzburg, (3) Tierschutzakademie Neubiberg, Neubiberg
Zeitschrift: ALTEX 2005, 22(3), 143-151
Artikel als PDF