Tierversuchsstatistik
Tierversuchszahlen 2022
Das Deutsche Zentrums zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R), Bestandteil des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), hat die Tierversuchszahlen für das Jahr 2022 veröffentlicht (1). Nachdem dem BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) jahrelang diese Funktion zufiel, wurde dies 2021 vom BfR übernommen. Seitdem werden nicht nur die in Tierversuchen oder zur Organentnahme verwendeten Tiere erfasst, sondern auch die Tiere, die zwar gezüchtet, aber nicht in Versuchen eingesetzt oder für die Organentnahme verwendet wurden und somit als „Überschuss“ getötet wurden. Insgesamt sind 4.207.231 Tiere in der Statistik erfasst. Für den Verein Ärzte gegen Tierversuche eine erschreckend hohe Zahl, die die nachdrückliche Forderung des Paradigmenwechsels von Tierversuchen hin zu menschenrelevanten Forschungsmethoden erneut bestärkt.
Gesamtzahl der Tiere
Detaillierte Statistiken u.a. zu Forschungsbereichen, Herkunft und genetischem Status beziehen sich in den BfR-Dokumenten nur auf die Anzahl der Tiere, die tatsächlich in Versuchen eingesetzt wurden – was sich auf 1.725.855 beläuft. Diese „Gesamtzahl“ wird prominent platziert, suggeriert sie schließlich einen starken Rückgang im Vergleich zu früheren Jahren, in denen allerdings noch die „zu wissenschaftlichen Zwecken getöteten“ Tiere in der Gesamtzahl enthalten waren. Dies erschwert zudem den Vergleich der Zahlen in den vergangenen Jahren. Bezüglich der Gesamtzahl weichen die Definitionen voneinander ab: während Tierschutzvereine wie auch ÄgT unter „Gesamtzahl“ sämtliche Tiere verstehen, die in Laboren leiden und sterben, also 4.207.231, lässt das Herausrechnen der Überschusstiere und der zu wissenschaftlichen Zwecken getöteten Tiere die Zahl niedriger erscheinen.
Zweck |
Anzahl 2022 |
In Tierversuchen verwendet (§7 Abs. 2 TSchG) (erstmalig und mehrfach verwendet) |
1.725.855 |
Zu wiss. Zwecken getötet (z.B. Organentnahme) |
711.939 |
Tierversuche + zu wiss. Zwecken getötet |
2.437.794 |
„Überschusstiere“: aus weiteren Gründen getötete Tiere (z.B. nicht gewünschte |
1.769.437 |
Gesamt |
4.207.231 |
Tabelle 1: Übersicht über die Gesamtzahl der im Bereich Tierversuche verwendeten Tiere
Entwicklung der Tierversuchszahlen
Seit im Jahr 1989 mit der Datenerhebung begonnen wurde, ging die Zahl der Tiere von 2,6 Millionen auf einen Tiefpunkt von 1,5 Millionen im Jahr 1997 zurück, gefolgt von einem kontinuierlichen Anstieg auf 2,8 Millionen im Jahr 2011. Seither stagniert die Zahl mit leichten Schwankungen auf einem ähnlich hohen Niveau. Ab 2020 gab es jeweils einen leichten Rückgang wobei die Schwankungen der letzten Jahre Auf- und Abwärtstrends in ähnlichen Zahlen zeigten, so dass hier bei Weitem nicht von einem wirklichen Abwärtstrend gesprochen werden kann.
Tierarten, die in Versuchen leiden
Wie auch in den Jahren davor, werden mit 1.248.790 Tieren (72,4 %) Mäuse am häufigsten in Versuchen verbraucht. Fische sind mit 248.480 die zweithäufigste Tierart, gefolgt von Ratten mit 109.936. Es werden aber auch nach wie vor Kaninchen (67.125), Vögel (33.173), Hunde (2.873), Katzen (538), Meerschweinchen (6.540), Schweine (12.131) und Pferde/Esel (2.149) verwendet. Die genannten Zahlen beziehen sich auf „in Tierversuchen verwendeten Tieren“.
Grafik 1: Die Grafik veranschaulicht, wie viele Tiere einzelner Tierarten und -gruppen 2022 in Tierversuchen und zu wissenschaftlichen Zwecken getötet wurden.
Affen in Tierversuchen
Im Vergleich zum Vorjahr (1.886) ist 2022 die Zahl der verwendeten Affen auf 2.267 gestiegen, davon wurden 289 erneut aus dem Vorjahr verbraucht. 1.703 der zum ersten Mal in Versuchen eingesetzten Affen (alles Langschwanzmakaken), stammten aus Nicht-EU-Ländern wie Staaten in Asien oder Afrika. Zum Vergleich: lediglich 50 Makaken entstammten einem registrierten Züchter aus der EU.
Der Großteil der Affen (1.957) wurde für regulatorische Zwecke wie Giftigkeitsprüfungen verwendet. Die meisten Affen in Deutschland werden bei dem Labor „Covance“, inzwischen unter dem Namen „Labcorp“ zu finden, verbraucht (2).
Zweckfreie Grundlagenforschung ist größter Tierverbraucher
Vor allem die Anzahl der Tiere, die für die per Definition zweckfreie Grundlagenforschung leiden und sterben müssen, befindet sich auf permanent hohem Niveau und macht seit einigen Jahren gut die Hälfte aller Tierversuche aus. Im Jahr 2003 wurden etwa doppelt so viele Tiere (850.710 Tiere) in diesem Bereich verbraucht als noch 1999 (438.000 Tiere). Im Jahr 2009 war der Tod von 917.070 Tieren in diesem Bereich zu verzeichnen und 2016 wurde ein bis dato Höchststand von 1.175.664 Tieren erreicht. Seit 2017 werden in der offiziellen Statistik die „zu wissenschaftlichen Zwecken getöteten Tiere“ herausgerechnet, so dass Zahlen vor und nach 2017 nicht miteinander vergleichbar sind und von einem Rückgang nicht gesprochen werden kann.
Laut der aktuellen Zahlen wurden im Jahr 2022 956.933 Tiere für die Grundlagenforschung verbraucht, was einem Anteil von 55,5 % entspricht. Ein leichter, jedoch kaum nennenswerter, Rückgang ist hier zum Vorjahr zu verzeichnen (2021: 1.037.931 bzw. 55,8 %).
Gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche gehen weiter zurück
Ein tatsächlicher Trend scheint sich im Bereich der gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuche abzuzeichnen. 2018 lag der Anteil der Tierversuche in diesem Bereich bei 484.254 (22,6 %), 2019 waren es 474.902 Tiere (21,5 %), 2020 dann 361.378 (19 %), 2021 313.557 Tiere (16,9 %) und 2022 schließlich 272.452 (15,8 %).
Mit gesetzlich vorgeschriebenen Tests sind Verfahren wie Medikamententest gemeint, also Arzneimittel für Mensch und Tier. Ebenso fallen darunter Tests für Medizinprodukte, Biozide, Pflanzenschutzmittel oder auch Lebens- und Futtermittel.
Der langfristige Abwärtstrend in diesem Bereich ist der wachsenden Anzahl der zur Verfügung stehenden tierversuchsfreien Methoden zu verdanken. Darunter sind Verfahren zu verstehen, die ohne lebende Tiere auskommen, also z.B. Organchips, Zellkulturen und computergestützte Rechenmodelle. Auch klinische und epidemiologische Forschung zählt dazu. Solche modernen Forschungsmethoden sind verstärkt zu fördern. Tierversuchsfreie Testsysteme bieten im Gegensatz zum Tierversuch verlässliche, auf den Menschen übertragbare Ergebnisse.
Genmanipulation für Tierversuche weiter auf dem Vormarsch
918.276 Tiere wurden 2022 genetisch manipuliert, das entspricht einem Anteil von über 53 %. Die Tiere, die am häufigsten genetisch verändert werden, sind Mäuse, Fische und Ratten. Dieser Trend setzt sich also fort; 2020 betrug der Anteil 913.712 (48 %), 2019 waren es 955.702 Tiere (43 %). Zum Vergleich: 2011 betrug der Anteil der genmanipulierten Tiere ca. 25 %.
Die tatsächliche Zahl liegt wesentlich höher, da, auch hier die Zahl der „zu wissenschaftlichen Zwecken getöteten Tiere“ und der „aus anderen Gründen getöteten Tiere“ nicht weiter aufgeschlüsselt wird und hier die hierzu zählenden Tiere durchs Raster fallen.
62.377 Tiere erlitten „schweres“ Leid
Mit einem prozentualen Anteil von 3,6 % ist der Anteil der Schweregrad „schwer“-Versuche zwar gesunken (2021: 4,3 %). Versuche mit geringer Belastung machen 66,3 % (Vorjahr 63,2 %) aus, Versuche mit mittlerer Belastung 25,4 % (Vorjahr 26,1 %). Die Versuche, die „keine Wiederherstellung der Lebensfunktion“ vorsehen, liegen 2022 bei 4,7 % (Vorjahr 6,4 %). Letzteres bedeutet, dass der Versuch darauf ausgelegt ist, dass die Tiere z.B. unter Narkose getötet werden.
Mit der Neureglung der EU-Tierversuchsrichtline werden seit 2014 auch die Schweregrade erfasst, denen die Tiere ausgesetzt sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Einteilung der Schweregrade von den Forschern selbst vorgenommen – also den Personen, die das größte Interesse haben, dass diese Versuche genehmigt werden. Eine Auswertung von ÄgT zeigt, dass die Schweregrade häufig zu gering angegeben werden.
Dunkelziffer – verschwiegenes Tierleid
Eine grundlegende Neuerung findet sich bei den Tierversuchszahlen seit 2021: Es werden auch die Tiere erfasst, die für wissenschaftliche Zwecke in Laboren gezüchtet wurden, aber nicht für diese Zwecke verwendet und daher als sogenannte Überschusstiere getötet wurden. 2022 wurden 1.769.437 Tiere mangels Verwendungszwecks getötet, meist aus rein wirtschaftlichen Gründen.
Tiere, die diesem Bereich zugeordnet werden, sind zum Beispiel Tiere, die genmanipuliert wurden, aber nicht die gewünschte Genmanipulation tragen – und somit für Forscher wertlos sind. Da somit keine Verwendung für diese in den Laboren besteht, werden sie getötet. Ebenso kann es sein, dass Tiere ein falsches Alter oder ein falsches Geschlecht haben in dem Sinne, als dass sie durch das vorgegebene Raster der geplanten Versuche fallen und somit ebenfalls wertlos werden für die Forschung.
Transparenz ist damit aber noch nicht erreicht: Aufgrund einer EU-Vorgabe müssen erstmals 2017 und dann alle 5 Jahre die Tiere gezählt werden, die gezüchtet, aber nicht in tierexperimentellen Verfahren verwendet und getötet werden. Aus den 2020 von der EU veröffentlichten Zahlen geht hervor, dass 2017 rund 4 Millionen sogenannte Überschusstiere auf das Konto von Deutschland gehen. (3)
Dies ist nochmal ein deutlicher Unterschied zu den nun offiziell erfassten – dass aber die Zahl so stark über 4 Jahre gesunken ist, obwohl der Anteil der genetisch veränderten Tiere sich über die Jahre immer weiter erhöht hat, ist zu bezweifeln. Natürlich ist jedes Tier, was nicht in einem Labor stirbt, ein Erfolg – es muss jedoch hinterfragt werden, ob die Zahlen nah oder fern der Realität sind.
Eine Dunkelziffer gibt es immer noch bei den wirbellosen Tieren. Außer Kopffüßern (Tintenfischen, Kraken) werden wirbellose Tiere wie Insekten und Krebse überhaupt nicht gezählt. Im Jahr 2021 wurden 56 Kopffüßer verwendet, 2022 waren es 55.
Entwicklung der Tierversuchszahlen seit 1989
Grafik 2: In der Verlaufsgrafik ist die Anzahl der Tiere, die in Tierversuchen verwendet und zu wissenschaftlichen Zwecken getötet wurden, dargestellt.
Tierversuchsstatistiken des BMEL/Bf3R
2022 Bf3R: Verwendung von Versuchstieren im Jahr 2022 >>
2021 Bf3R: Verwendung von Versuchstieren im Jahr 2021 >>
2020 ÄgT-Zusammenstellung (PDF) / Tabelle des Bf3R (PDF)
2019 Tabelle (PDF)
2018 Tabelle (PDF)
2017 Tabelle (PDF)
2016 Tabelle (PDF)
2015 Tabelle (PDF)
2014 Tabelle (PDF)
2013 Tabelle (PDF)
2012 Tabelle (PDF)
2011 Tabelle (PDF)
2010 Tabelle (PDF)
2009 Tabelle (PDF)
2008 Tabelle (PDF)
2007 Tabelle (PDF)
2006 Tabelle (PDF)
2005 Tabelle (PDF)
2004 Tabelle (PDF)
Tierversuchstatistik der EU
Ausführliche Berichte der EU finden sich hier >> Unten haben wir die Zahlen im Ländervergleich zusammengefasst. Dabei sind nur die Tiere erfasst, die in Tierversuchen leiden und sterben, nicht aber die zu wissenschaftlichen Zwecken getöteten Tiere. Für Deutschland sind hier daher niedrigere Zahlen als in der Statistik des BMEL angegeben.
Tabelle 2019 (PDF)
Tabelle 2018 (PDF)
Tabelle 2017 (PDF)
Tabelle 2011 (PDF)
Tabelle 2008 (PDF)
Tabelle 2005 (PDF)
Letzte Bearbeitung: 13.12.2023