Tierversuche und Tierlabore in Heidelberg
Die Stadt am Neckar ist bei vielen Touristen aus In- und Ausland berühmt, auch die dort ansässige Universität. Die wenigsten Menschen aber wissen, dass grausame und schweres Leid verursachende Experimente an Tieren in Heidelberg stattfinden - und die Verantwortlichen haben kein Interesse daran, das zu ändern.
Welche Tierlabore gibt es in Heidelberg?
Bei dieser Frage herrscht völlige Intransparenz. Von offiziellen Stellen wird keine Auskunft gegeben. So verwenden wir Artikel in Fachzeitschriften und Stellenangebote als Quellen, aus denen wir unsere Adressliste der Tierlabore Deutschlands zusammengestellt haben. Dort listen wir die Institutionen auf, die für Tierversuche verantwortlich sind.
Welche Tierversuche werden in Heidelberg gemacht?
Einige Beispiele von Experimenten, die in Fachzeitschriften veröffentlicht worden, sollen einen kleinen Einblick geben. Weitere Versuchsbeschreibungen aus Frankfurt und ganz Deutschland sind in unserer Datenbank Tierversuche >> zu finden.
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Abteilung Tumorvirologie, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Im Neuenheimer Feld 242, 69120 Heidelberg
Wie läuft der Versuch ab? Nacktmäusen, deren Immunabwehr durch Genmanipulation geschwächt ist, werden menschliche Zellen eines Ewing-Sarkoms unter die Haut gespritzt. Das Ewing-Sarkom ist eine bösartige und schmerzhafte Krebserkrankung, die meist Knochen befällt und hauptsächlich bei Kindern und Jugendlichen auftritt. Nach sieben Tagen ist bei allen Tieren ein Tumor angewachsen und es wird eine Anti-Tumor-Wirkung des H-1PV-Virus untersucht. Hierzu wird je 15 Mäusen das Virus oder eine Kontrolllösung in den Tumor gespritzt, anschließend wird alle 2-3 Tage die Tumor-Größe bestimmt. Bis auf eine Maus sterben alle Tiere innerhalb von 36 Tagen qualvoll an den Folgen des Krebsleidens, das Virus zeigt keine Wirkung bei den Tieren. Daraufhin wird der Versuch mit weiteren Mäusen wiederholt und noch eine dritte Gruppe hinzugefügt, bei der das Virus täglich in den Tumor gespritzt wird, solange sie leben. Erneut zeigt das Virus keine Wirkung und alle Tiere bis auf 2 sterben innerhalb von 50 Tagen an dem Krebs. (4)
Was wird gemacht – in einem Satz: Genmanipulierten, immungeschwächten Mäusen wird ein Tumor gezüchtet und ein Virus gespritzt, das gegen den Krebs helfen soll, aber fast alle Tiere sterben im Laufe des Experiments an dem Krebs.
Warum ist das sinnlos – und wie geht’s besser? Insbesondere bei Krebserkrankungen ist die Medikamenten-Erfolgsquote extrem schlecht – 95% der Substanzen, die bei Tieren gegen den Krebs wirken und zudem keine oder wenig Nebenwirkungen haben, versagen in den klinischen Studien in Menschen. Hauptgründe: sie wirken nicht gegen den Krebs oder haben nicht tolerierbare Nebenwirkungen. (3) Tierversuchsbefürworter betonen immer, wie wichtig angeblich ein Gesamtorganismus ist – wobei sie die Tatsache ignorieren, dass insbesondere das Immunsystem von Mäusen und Menschen enorme Unterschiede aufweist. (5) Kein Wunder also, dass Substanzen beim Menschen völlig anders wirken und in der Krebsforschung immer noch kein breiter Durchbruch erzielt werden konnte.
Patienten reagieren sehr unterschiedlich auf Krebsmedikamente. Daher ist die personalisierte humanbasierte Medizin ein riesiger Fortschritt. So kann man nicht nur die passenden Chemotherapeutika für den einen besonderen Patienten mit dieser einen Krebsart finden (6), sondern u.a. in Kombination mit 3D-Druck und Künstlicher Intelligenz auch verschiedenste Forschungsfragen adressieren – unsere NAT Datenbank für tierleidfreie Forschung enthält fast 200 Einträge für das Schlagwort „Krebs“; zu finden unter www.nat-database.de.
Universitätsklinikum Heidelberg
Abteilung für Neuroradiologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg
Wie läuft der Versuch ab? An ca. 3-4 Monate alten Schweinen sollen die Eigenschaften eines neuen Wirkstoffs zum künstlichen Verschluss von Blutgefäßen untersucht werden, der in der Humanmedizin eingesetzt wird, um z. B. innere Blutungen zu stoppen. Unter Narkose werden verschiedene radiologische Aufnahmen gemacht, u. a. auch von den Blutgefäßen. Über eine Halsschlagader wird 8 Tieren der neu entwickelte Wirkstoff eingeleitet, die übrigen 8 erhalten zum Vergleich einen kommerziellen Wirkstoff, der bereits in der Klinik eingesetzt wird. Einige Schweine werden 2 Stunden nach dem Eingriff durch eine Injektion getötet. Die anderen erwachen aus der Narkose und werden 7 weitere Tage am Leben erhalten, wobei sie täglich Antibiotika und Schmerzmittel bekommen. Danach werden auch diese Tiere durch eine Injektion getötet. Die Blutgefäße an der Schädelbasis werden entnommen, um die Auswirkungen der verabreichten Substanzen zu untersuchen. (7)
Was wird gemacht – in einem Satz: Jungen Schweinen wird über die Halsschlagader Medikamente gespritzt, es werden radiologische Aufnahmen gemacht und sie werden nach 2 Stunden oder 7 Tagen getötet.
Warum ist das sinnlos – und wie geht’s besser? Die Tierarten unterscheiden sich in Körperbau, Organfunktionen und Stoffwechsel wesentlich voneinander; der Mensch ist hier keine Ausnahme. Ein und dieselbe Substanz kann deshalb zu völlig unterschiedlichen Reaktionen führen. So ist zum Beispiel Penicillin gut verträglich für Menschen, aber schädlich für Meerschweinchen. Aspirin führt bei Hunden, Katzen, Affen, Ratten und Mäusen zu Embryoschäden, nicht aber beim Menschen. Wegen dieser Unterschiedlichkeiten ist die Übertragung von Ergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen irreführend und zudem ein unkalkulierbares Risiko. Abgesehen davon sind Jungtiere, wie sie in der obigen Studie eingesetzt werden, erst recht nicht geeignet, um Forschung zu betreiben, die für erwachsene Menschen relevant sein soll. An den jungen Schweinen werden die Eigenschaften eines neuen Wirkstoffs im Vergleich zu einem kommerziellen untersucht, der bereits lange in der Humanmedizin etabliert ist.
Es gibt inzwischen Chip-Systeme, mit denen der Einfluss von Medikamenten auf Gefäße, auch unter Berücksichtigung der Blut-Hirn-Schranke, untersucht werden kann. Besonders interessant ist, dass hier die Zellen von Patienten genommen werden können – so sind alle relevanten molekularen Krankheitsmechanismen quasi in diesem System konserviert. So kann für den Menschen und den Patienten hochrelevante Forschung betrieben werden. (8-10)
Universitätsklinikum Heidelberg
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Schlierbacher Landstraße 200a, 69118 Heidelberg
Wie läuft der Versuch ab? Um menschliche Knochenbrüche zu simulieren, wird Ratten unter Anästhesie ein 600 g schweres Gewicht auf das Bein fallen gelassen, so dass das Hinterbein „standardisiert bricht“. In das Wadenbein wird ein Loch gebohrt, durch das ein Titan-Draht in die Markhöhle getrieben wird, um den Knochen zu stabilisieren. Einigen Tieren werden Eiterbakterien durch das Bohrloch ins Knochenmark gespritzt, die eine Knochenentzündung auslösen. Diese ist extrem schmerzhaft, so dass die Ratten 3 Tage lang Schmerzmittel erhalten. Fünf Wochen später werden die Tiere erneut operiert. Der Draht wird entfernt und in das ursprüngliche Bohrloch werden Wachstumsfaktoren oder eine Kontrolllösung injiziert. Der Knochen wird mit einem neuen Draht versehen und die Wunde zugenäht. Drei Tiere sterben im Verlauf der Operationen, zwei weitere müssen wegen entzündeter Blutergüsse getötet werden. Fünf Wochen später werden die überlebenden Tiere mit Kohlendioxid erstickt. (11)
Was wird gemacht – in einem Satz: Ratten wird das Hinterbein gebrochen, durch ein Bohrloch werden Eiterbakterien in das Knochenmark gegeben und die überlebenden Tiere werden fünf Wochen später getötet.
Warum ist das sinnlos – und wie geht’s besser? Künstlich geschädigte „Tiermodelle“ wie die absurde Nachstellung von menschlichen Knochenbrüchen an Ratten in dem obigen Beispiel haben mit der menschlichen Erkrankung und ihren ursächlichen Faktoren nichts gemeinsam. Ratten haben als Vierfüßler eine ganz andere Statik und sie haben außerdem eine viel schnellere Heilungstendenz bei Knochenbrüchen als der Mensch. Zudem werden die Wachstumsfaktoren, deren therapeutischer Effekt in dieser Arbeit untersucht werden soll, bereits in klinischen Studien am Menschen mit offenen Knochenbrüchen eingesetzt.
Chip-Systeme bieten eine hohe Bandbreite, so dass es auch Osterogenese-on-a-chip Systeme gibt, mittels derer Arzneimittel- oder Toxinwirkungen am Knochen untersucht werden. (12) Ebenso können Gewebeproben von Patienten, die im Rahmen einer routinemäßigen Entnahme gewonnen werden können, für Untersuchungen verwendet werden.
Weitere für Tierversuche verantwortliche Einrichtungen
Bioassay - Labor für biologische Analytik GmbH, Im Neuenheimer Feld 515, 69120 Heidelberg
Max-Planck-Institut für Medizinische Forschung, Jahnstr. 29, 69120 Heidelberg
DKFZ - Deutsches Krebsforschungszentrum
- Abteilung vaskuläre Onkologie und Metastasierung, Im Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg
- Abteilung zelluläre und molekulare Pathologie, Im Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Universitätsklinikum
- Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Im Neuenheimer Feld 110/460, 69120 Heidelberg
- Arbeitsgruppe Aquatische Ökologie und Toxikologie, Zentrum für Organismische Studien (COS), Im Neuenheimer Feld 504, 69120 Heidelberg
- Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg
- Heidelberger Anästhesie- und Notfallsimulationszentrum, Im Neuenheimer Feld 400, Ebene 99, 69120 Heidelberg
- Innere Medizin III - Kardiologie, Angiologie und Pneumologie, Im Neuenheimer Feld 410, 69120 Heidelberg
- Institut für Allgemein-Chirurgie, Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg
- Kinder- und Jugendmedizin-Zentrum, Abteilung Allgemeine Pädiatrie, Im Neuenheimer Feld 150, 69120 Heidelberg
- Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik, Neuenheimer Feld 410/669, 69120 Heidelberg
- Klinik für Anästhesiologie, Im Neuenheimer Feld 110, 69120 Heidelberg
- Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pulmologie, Bergheimer Str. 58, 69115 Heidelberg
- Medizinische Fakultät Heidelberg, Im Neuenheimer Feld 672, 69120 Heidelberg
- Pharmakologisches Institut, Im Neuenheimer Feld 366, 69120 Heidelberg
Tierversuchsfrei Forschen
Die erwähnten tierleidfreien, humanbasierten Forschungsmethoden sind nur wenige Beispiele. Eine große Vielfalt ist in unserer NAT-Datenbank zu finden: die NAT Database für moderne tierversuchsfreie Technologien >> - einfach mal reinschauen! Es gibt schon viele faszinierende Möglichkeiten in diesem Bereich!
20.08.2021
Dipl. Biol. Julia Radzwill
Quellen
- Lindl T et al. Animal experiments in biomedical research. An evaluation of the clinical relevance of approved animal experimental projects: No evident implementation in human medicine within 10 years. ALTEX 2005; 22(3):143–151
- Lindl T et al. No clinical relevance of approved animal experiments after seventeen years. ALTEX 2011; 28(3):242–243
- Mullard A Parsing clinical success rates. Nature Review Drug Discovery 2016; 15(7):447–447
- Vollherbst DF et al. Evaluation of a novel liquid embolic agent (precipitating hydrophobic injectable liquid (PHIL)) in an animal endovascular embolization model. 2018; 10(3):268–274
- Lacroix J et al. Preclinical testing of an oncolytic parvovirus in Ewing Sarcoma: Protoparvovirus H-1 induces apoptosis and lytic infection In vitro but fails to improve survival In vivo. 2018; 10(6):302
- Seok J et al. Genomic responses in mouse models poorly mimic human inflammatory diseases | PNAS 2013; 110(9):3507-3512
- Indivumed: Indivutest
- Poussin C et al. 3D human microvessel-on-a-chip model for studying monocyte-to-endothelium adhesion under flow – application in systems toxicology. ALTEX 2020; 37(1):47–63
- Maoz BM et al. A linked organ-on-chip model of the human neurovascular unit reveals the metabolic coupling of endothelial and neuronal cells. Nature Biotechnology 2018; 36(9):865–874
- Ceunynck KD et al. PAR1 agonists stimulate APC-like endothelial cytoprotection and confer resistance to thromboinflammatory injury. PNAS 2018; 115(5):E982–E991
- Helbig L et al. Bone morphogenetic proteins − 7 and − 2 in the treatment of delayed osseous union secondary to bacterial osteitis in a rat model. BMC Musculoskeletal Disorders 2018; 19(1):261
- Bahmaee H et al. Design and evaluation of an osteogenesis-on-a-Chip microfluidic device incorporating 3D cell culture. Frontiers in Bioengineering and Biotechnology 2020; 8(1042)