Vergabe des Medizinnobelpreises:
- Ärzte gegen Tierversuche e.V.
Ärztevereinigung fordert Nobelpreis für Forschung ohne Tierversuche
Anlässlich der Vergabe des Medizinnobelpreises an Forscher, die ihre Ergebnisse teilweise aus Versuchen mit Tieren gewonnen haben, fordert der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche (ÄgT) die Nobelstiftung auf, in Zukunft nur noch tierversuchsfreie Forschung bei der Preisvergabe zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Vereins bietet die Forschung ohne Tierversuche ein ungeheures Potential. Die Vergabe des Nobelpreises an tierversuchsfrei arbeitende Forscher wäre ein wichtiges Signal im Sinne einer ethisch vertretbaren und fortschrittlichen Wissenschaft.
Drei Preisträger teilen sich die mit 1,1 Millionen Euro dotierte Auszeichnung für ihre Forschungen zum Immunsystem. Einer von ihnen, Bruce Beutler vom Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien, und sein Team suchten in Tierversuchen an Mäusen nach dem Rezeptor für bakterielles Lipopolysaccharid (LPS). Dieser kann einen septischen Schock auslösen, eine lebensbedrohliche Überstimulation des Immunsystems. Die Forscher entdeckten ein Gen, das für den LPS-Rezeptor und damit die Immunreaktion verantwortlich ist – zumindest bei Mäusen.
Für seine Forschungen verwendete Bruce genetisch veränderte Mäuse, die aus dem Freiburger Max-Planck-Institut für Immunbiologie stammen. Die Forschung an genveränderten Tieren ist mit einer hohen Ausschussproduktion verbunden, beklagt der Ärzteverein. Bis zu 99 % der Tiere weisen nicht die gewünschten gentechnischen Defekte auf und werden wie Abfall entsorgt. »Die boomende Gentechnik lässt die Tierversuchszahlen explodieren«, weiß Biologin Silke Bitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Ärztevereinigung. »Dabei werden die ‚unbrauchbaren’ Tiere noch nicht einmal mitgezählt«. Den Statistiken des Bundeslandwirtschaftsministeriums zufolge wurden in Deutschland im Jahr 2010 rund 723.000 transgene, d.h. gentechnisch veränderte Tiere, in Tierversuchen getötet. Das entspricht einem Anteil von 25 % der insgesamt 2,9 Millionen Tiere. Vor zehn Jahren waren es noch knapp 10 %, nämlich 204.000 von 2,1 Millionen Tieren. »Neben der ethischen Problematik kommt hinzu, dass die klinische Relevanz dieser Art der Forschung äußerst fraglich ist. Erkenntnisse aus diesen Tierversuchen haben allenfalls akademischen Charakter«, ist sich Bitz sicher.
Die Verleihung der Preise in Stockholm und Oslo findet jedes Jahr am 10. Dezember statt, dem Todestag Alfred Nobels. Ihre Vorlesung halten die Preisträger am 8. Dezember. Nach dem Willen von Alfred Nobel sollte der Preis an denjenigen verliehen werden, der im letzten Jahr mit seiner Entdeckung den größten Nutzen für die Menschheit erbracht hat. Nach Ansicht der Ärztevereinigung ist die Erforschung von Mechanismen und Ursachen menschlicher Erkrankungen wichtig, Tierversuche würden hierbei jedoch ein falsches Bild liefern, da Mensch und Tier sich wesentlich in Körperbau, Organfunktionen und Stoffwechsel voneinander unterscheiden. Zudem sind die wenigsten menschlichen Krankheiten auf einen einzelnen Gendefekt zurückzuführen, sondern durch vielfältige Faktoren aus der Umwelt und der Lebensweise des Menschen beeinflusst. Diese komplexen Ursachen kann man im Tierversuch nicht nachahmen.
Immer wieder werden aufgrund von Tierversuchen Durchbrüche in der Medizin angekündigt, die am Ende aber nicht eintreten, da die Ergebnisse nicht auf den Menschen übertragbar sind. »Die Kombination aus modernen Verfahren wie computergestützte Simulationen der Abläufe im menschlichen Körper, Zellsystemen oder Biochips sowie klinische Forschung hingegen bilden die Situation beim Menschen viel besser ab, da die Ergebnisse auf menschlichen Daten basieren«, erklärt Bitz abschließend.