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Selbst grausamste Tierversuche werden genehmigt und verharmlost

Kürzlich wurde weiträumig medial ein Tierversuch der Humboldt-Universität Berlin aufgegriffen, bei dem Ratten nach Mediendarstellung gekitzelt wurden, um herauszufinden, welche Gehirnregionen im Rahmen von Spielverhalten und Lachen aktiviert werden.(1) Der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche deckt auf, dass dieses Experiment keineswegs lustig für die Tiere war, sondern Qual und Tod bedeutet hat und nicht genehmigt hätte werden dürfen.

Ärzte gegen Tierversuche bemängelt deutlich die verharmlosende und unvollständige Darstellung der Schwere des Tierversuchs. Was nach harmlosen Spaß für die Tiere klingt – spielen, gekitzelt werden und lachen, bedeutet schwerstes Leid für die Tiere. Dies offenbart die originale Publikation des Versuchs. So wurden einem Teil der Ratten Löcher in den Schädel gebohrt, um Kanülen in ihr Gehirn zu schieben. Über einen daran angebrachten Schlauch wurde entweder Kochsalzlösung, ein Betäubungsmittel, oder das Gift des Fliegenpilzes ins Gehirn gespritzt. Einer anderen Gruppe Ratten wurde der größte Teil der Haut und Unterhaut vom Schädel entfernt und ein Loch in den Schädel gebohrt. Darüber wurde eine Elektrodenkammer angebracht, durch die Elektroden ins Gehirn eingelassen wurden, um Ableitungen der Gehirnaktivität aufzuzeichnen. Nach der letzten Aufnahmesitzung wurden den Tieren unter Narkose Strom ins Gehirn geleitet, um den Sitz der Elektroden durch Schädigung des Gehirngewebes zu markieren. Einer weiteren Gruppe Tiere wurden ebenfalls die Schädel eröffnet, um Sonden ins Gehirn einzuführen. Diese Tiere wurden zusätzlich zu den Spiel– und Kitzelversuchen auch einer angstauslösenden Umgebung ausgesetzt. Am Ende steht für alle Tiere der Tod, um ihr Gehirn zu entnehmen und untersuchen zu können.

„Regelmäßig werden Tierversuche als harmlos für die Tiere dargestellt, die eigentlich schwerstes Leid bedeuten. Erkenntnisse über den Menschen lassen sich durch diese grausamen Versuche nicht gewinnen – denn das Gehirn von Ratten und Menschen ist zu unterschiedlich“, erklärt Dr. Melanie Seiler, wissenschaftliche Referentin für Politik und Recht des Ärztevereins. „Hingegen stehen verschiedenste humanrelevante Methoden zur Verfügung, um Gehirnprozesse, die mit Spaß und Lachen in Verbindung stehen, nicht-invasiv am Menschen selbst zu erforschen. Nur so lassen sich auch Erkenntnisse für den Menschen gewinnen“, betont die Expertin.

Es ist daher für den Ärzteverein völlig unverständlich, wenn auch nicht überraschend, dass ein derartiger Tierversuch überhaupt genehmigt wurde. Erst kürzlich wurde öffentlich gemacht, dass in Berlin selbst nach Ablehnung der beratenden Tierversuchskommission seitens des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) nahezu alle Tierversuche zugelassen wurden (2) – so auch dieser unter von Neugier getriebener Grundlagenforschung fallende Versuch, der an der Humboldt-Universität Berlin stattfand.

„Dieses Beispiel verdeutlich erneut, dass selbst schlimmste Tierversuche sogar ohne jeglichen Bezug zu einem vermeintlichen Gewinn für die menschliche Gesundheit genehmigt werden, obwohl es humanrelevante Methoden gäbe, Erkenntnisse nicht-invasiv am Menschen selbst zu gewinnen“, verdeutlicht Dr. Seiler. „Wir fordern die Genehmigungsbehörden auf, ihre Möglichkeit zur Ablehnung der ethisch und wissenschaftlich fragwürdigen tierexperimentellen Forschung endlich zu nutzen.“

Quellen

(1) Gloveli N. et al. Play and tickling responses map to the lateral columns of the rat periaqueductal gray. Neuron 2023; 111: 1-12

(2) Rücker M. Tierversuche in Berlin: Finale Narkose und Tötung des Tieres durch Entbluten. Berliner Zeitung. 08.07.23