An COVID-19 erkrankte menschliche Organoide erfolgreich mit Wirkstoff behandelt
- Dipl. Biol. Julia Radzwill
Ein internationales Forscherteam hat aus menschlichen Zellen gezüchtete Organoide mit dem COVID-19-Erreger SARS-CoV-2 infiziert und gezeigt, dass durch die Zugabe eines Wirkstoffs der Virenbefall verringert werden konnte. Die gewonnenen Erkenntnisse sind ein wichtiges und eindeutiges Signal, das zeigt, dass humanbasierte Methoden deutlich schnellere und dabei humanrelevante Ergebnisse bringen – und Tierversuche in eine Sackgasse führen.
Während die tierexperimentelle Forschung noch damit beschäftigt ist, den passenden „Tierorganismus“ zu finden und zu rätseln, ob sie, wie so oft, auf Mäuse zurückgreifen oder doch besser Frettchen nehmen, ist ein Forscherteam des Instituts für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) bereits einen großen Schritt weiter: Die Wissenschaftler nutzten die iPSC-Technologie*, um aus menschlichen Zellen Mini-Blutgefäße und Mini-Nieren – sogenannte Organoide – zu züchten, die sie mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten. Die Mini-Organe „erkrankten“ somit an COVID-19. SARS-CoV-2 kann durch das Protein ACE2 (Angiotensin Converting Enzyme 2) gebunden und so verändert werden, dass es nicht mehr in die Zellen eindringen kann, womit die Infektion eingedämmt wird.
Hochgradig interessant dabei ist, dass sich dieser Effekt nur bei humanem ACE2 zeigt: nur dieses war in der Lage, die Virusvermehrung zu hemmen. Ein Maus-ACE2 zeigte dagegen keine Wirkung auf die Virusverbreitung in den menschlichen Organoiden.
Obwohl es sich um den fast identischen Stoff handelt, kann ein auch nur minimaler Unterschied zwischen Maus und Mensch dazu führen, dass eine mögliche Therapie nicht anschlägt. Daher ist es so immens wichtig, auf menschenbasierte Methoden zu setzen, da niemand vorhersagen kann, ob der Wirkstoff, der im Tierversuch gewirkt hat, beim Menschen anschlägt - oder eben nicht. Hier wird wertvolle Zeit verloren und zudem die Gefahr ignoriert, dass potenziell für den Menschen wirksame Stoffe, die im Tierversuch nicht das gewünschte Ergebnis gezeigt haben, vorzeitig aussortiert werden.
Sowohl das Blutgefäßsystem als auch die Nieren, die hier als Mini-Organe eingesetzt wurden, sind ein wichtiger Faktor bei der COVID-19-Erkrankung, da sich bei schweren Krankheitsverläufen Multiorganversagen, Herz-Kreislauf-Schäden und Blutvergiftung (Sepsis) zeigen, sodass Informationen über die Entwicklung und Ausbreitung der Krankheit im Körper hier von entscheidender Bedeutung sind. Auch aus diesem Grund ist die Suche nach dem „geeigneten Tiermodell“ nicht zielführend, da sich darauf konzentriert wird, das Tier zu finden, welches ein ähnliches Atmungssystem wie das des Menschen hat. Dabei werden aber zwangsläufig alle anderen Faktoren, die mit dieser Erkrankung einhergehen, außer Acht gelassen. Vor allem der, dass Tiere und Menschen nun mal unterschiedlich sind – und man humanrelevante Ergebnisse daher nicht mithilfe von Tieren gewinnen kann.
Weitere Infos
Mini-Organe können u.a. aus den sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) gewonnen werden. Dabei werden menschliche Körperzellen etwa aus einer Haut- oder Haarwurzelprobe in iPSC zurückprogrammiert. Diese „Allroundzellen“ lassen sich zu quasi jeder Zelle des Körpers entwickeln – und in der Folge Mini-Organstrukturen ausbilden, die Organoide genannt werden und die physiologisch relevante Eigenschaften des „Original-Organs“ zeigen. Diese bergen den unschätzbaren Vorteil, dass daran humanbasierte Forschung betrieben werden kann, mit der für Menschen relevante Ergebnisse erzielt werden können. Schwer vorstellbar?
Quellen
Monteil et al. Inhibition of SARS-CoV-2 infections in engineered human tissues using clinical-grade soluble human ACE2. Cell; 2020 in press
Bionity: Wirkstoff hilft COVID-19-„kranken“ Organoiden, 06.04.2020