300.000 Mäuse pro Jahr gerettet
- Ärzte gegen Tierversuche e.V.
Endlich: Tierfreier Test ersetzt qualvollen Mäuseversuch für Muschelgifte
Die EU-Kommission hat aktuell angekündigt, den sogenannten Maus-Bioassay, einen qualvollen Tierversuch zur Testung von Algengiften in Muscheln, durch ein tierfreies Verfahren zu ersetzen. Für die Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche ist es unverständlich, warum die tierversuchsfreie Methode, die bereits seit 25 Jahren vorhanden ist, erst jetzt Eingang in die EU-Vorschriften findet.
Muscheln können giftige Algen enthalten. Um Konsumenten vor möglichen Vergiftungen zu schützen, müssen in der EU seit 1991 Muscheln getestet werden, bevor sie in den Verkauf gehen. Dabei werden Stichproben der Weichtiere jeweils drei Mäusen in die Bauchhöhle injiziert. Sterben zwei der drei Mäuse gilt der Fang als giftig und er darf nicht vermarktet werden. Der Todeskampf der Tiere kann sich über 24 Stunden erstrecken. Die Mäuse ersticken qualvoll. Der Test ist nicht nur äußerst grausam, sondern gilt auch als besonders unzuverlässig.
In Deutschland wird bereits seit den 1980er Jahren eine rein tierfreie chemisch-analytische Methode, das HPLC-Verfahren, angewandt. »Während überall in der EU jährlich Hunderttausende von Mäusen in dem vorgeschriebenen Maus-Bioassay qualvoll sterben, wurde der deutsche Sonderweg von der EU toleriert, nachdem Deutschland zunächst gezwungen werden sollte, sich an die EU-Vorschriften zu halten und den Tierversuch durchzuführen«, erklärt Dr. med. vet. Corina Gericke, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Ärzte gegen Tierversuche.
Mehrere Jahre brauchte das EU-Referenzlabor für Marine Biotoxine in Spanien, um die HPLC-Methode zu validieren – eine Voraussetzung für die gesetzliche Anerkennung. Im Jahr 2009 legte die EU-Kommission einen Novellierungsvorschlag vor, die EU-Vorschrift zur Testung von marinen Biotoxinen entsprechend zu ändern. Am 17. November 2010 stimmten nun die Mitgliedstaaten dem Vorschlag zu. Die chemisch-analytische Testung von Muscheln soll ab Juli 2011 EU-weit eingeführt werden. Laut Kommission werden dadurch 300.000 Mäuse pro Jahr eingespart.
Nach Art der Symptome, die sie hervorrufen, unterscheidet man fünf Giftgruppen: Amnesie hervorrufendes Muschelgift (ASP), lähmendes Muschelgift (PSP), Durchfall erzeugendes Muschelgift (DSP) zu dem auch Yessotoxine (YTX), Pectotentoxine (PTX) und Azaspironsäure-Nervengift (AZA) gehören. ASP-Gifte werden bereits seit Jahren tierversuchsfrei getestet. Die neue Regelung gilt für die Gruppe der DSP-Toxine, einschließlich YTX, PTX und AZA. Für die lähmenden Muschelgifte PSP wurde 2007 ein tierversuchsfreies Verfahren anerkannt, allerdings ist der Maus-Bioassay nach wie vor die Referenzmethode, wird also weiterhin durchgeführt.
Dr. Corina Gericke: »Es ist erfreulich, dass es bei den Tierversuchen für Muschelgifte endlich voran geht. Gleichzeitig ist es unfassbar, dass eine seit 25 Jahren etablierte, tierversuchsfreie Methode, so lange braucht, bis sie auf EU-Ebene anerkannt und eingesetzt wird. Weder die lange Übergangszeit bis Juli 2011 ist gerechtfertigt, noch die Fortführung des Mäuse-Versuchs für PSP-Gifte.«